VaniKa hat geschrieben: ↑25.06.2019 22:46
Manche gehen offenbar davon aus, dass es immer nur eine richtige Antwort geben kann. D.h. wenn der eine richtig liegt (wovon er ja überzeugt ist), muss der andere automatisch falsch liegen. Und wenn man diese eine richtige Antwort einmal herausgefunden hat, müssten sich auch alle daran halten, also auch Menschen sich weiterhin diskriminiert fühlen, weil ja geklärt wurde, dass das offiziell gar keine Diskriminierung ist. Wenn es bloß "einige", aber nicht "alle" einer bestimmten Gruppe sind, die sich an etwas stören, dann sind die Sichnichtstörer die "Vernünftigen" und die Sichstörer übertreiben und müssen einfach aufhören, sich daran zu stören, da ihnen offiziell das Recht dazu aberkannt wurde bzw. eine offizielle Erlaubnis erteilt wurde, entgegen ihrem Empfinden zu handeln.
Das ist doch das Problem. Wo ist denn die Rücksicht? Wo ist die Betrachtung von *Menschen* statt abstrakten Gruppen, die man von außen darin beurteilt, was sie empfinden dürfen und was nicht bzw. auf wen man Rücksicht nehmen sollte und wen man einfach übergehen kann? Wenn jemand "überreagiert", darf man ihn also einfach weiter verletzen und ihn "triggern"?
Das ist das, was ich überall beobachte. Da entscheiden Leute über die Berechtigung von anderen Menschen. Die Quintessenz quasi immer: "Ich erkenne dein Problem nicht an, deswegen gibt es auch kein Problem. Du hast kein Recht, dich aufzuregen." Meist ist doch den Leuten, die über etwas diskutieren, was für andere ein Problem ist, die Thematik gar nicht derart vertraut. Sie betrachten sie lediglich von außen, nicht in der Lage, wirklich nachzuempfinden, wie sich jemand in der Haut des anderen fühlt, eben weil man diese ganzen kleinen Feinheiten gar nicht wahrnimmt. Man stellt es sich vor, aber das Bild ist unvollständig. Es fehlen Teile, die Perspektive ist verzerrt, man hat schlichtweg nicht die Not und man will obendrein nicht, dass die Einsicht implizieren könnte, dass man selbst Teil des Problems ist.
Auch entkräftet es gar nichts, wenn man selbst jemanden kennt, der zu der Gruppe zugezählt wird, um die es geht, aber gar nicht den Standpunkt vertriitt, den man selbst kritisieren will. Das zählt nichts: "Ich kenne einen Schwarzen, der kein Problem mit dem Wort 'N*gger' hat." Das zählt nichts: "Ich kenne eine Frau, die sich nicht diskriminiert fühlt." Und das zählt auch nichts: "Ich kenne eine trans Person, die kein Problem mit dem Cyberpunk-Plakat hat." Es haben nun mal Leute Probleme mit diversen Dingen und eine Lösung ist es dabei *nie*, in einer Diskussion belegen zu wollen, dass die Probleme nicht existieren würden und man deswegen auch keine Rücksicht nehmen brauche.
Ein konstruktiver Ansatz wäre es hingegen, wenn man die Probleme ernst nimmt und sich dabei vor allem auch fragt: Nimmt es mir wirklich etwas weg, wenn da jetzt kein solches Plakat gezeigt wird? Nimmt es mir wirklich etwas weg, wenn ich nicht mehr "Zigeunerschnitzel" sage? Da kann man auch einfach mal Rücksicht auf andere nehmen, ohne es direkt verstehen zu müssen. Man bricht sich schließlich in vielen Fällen echt keinen Zacken aus der Krone. Was ich hingegen sehr oft beobachte, ist dass eigentlich rein "akademisch" über die Probleme anderer Menschen diskutiert wird und man ihnen einfach nicht entgegen kommen will, bloß weil man in der Diskussion immer das letzte Wort behalten will und die Argumentation des anderen zerpflückt und seziert auf mögliche Schwachpunkte, anstatt einfach mal den Menschen Frieden zu gönnen. Man selbst hat es ja schließlich nicht nötig, da man ja nicht selbst von derlei Problemen betroffen ist. Da kann man anderen Menschen ruhig des eigenen Rechthabenwollens wegen das Leben unnötig schwer machen.