Riesen-Essay incoming:
Nach etwas mehr als 55 Stunden habe ich nun auch mein erstes Ys durch und ich bin seit letzter Nacht, nachdem ich den Controller hingelegt habe, noch etwas durchgerüttelt. Ich hatte ein ähnliches Gefühl schon bei anderen Spielen, in denen ich mit Freude so viel Zeit verbracht habe und die dann plötzlich endeten. Ich bin irgendwie noch gar nicht so richtig bereit, mich davon gedanklich loszueisen. Zuerst haben mich das Konzept und die Geschichte mit den Schiffbrüchigen, die man nach und nach einsammelt und mit denen man eine Gemeinschaft aufbaut, um von der Insel runterzukommen, schon total abgeholt. Ich habe unheimlich gern die Insel erkundet und Roadblocks nach und nach freigeräumt, wenn ich genug neue Leute gefunden habe. Das Konzept hat von Anfang an geklickt.
Das Spiel spielt sich bei allem so flott und zackig, wie ich das noch von keinem anderen RPG kannte - und ich liebe es! In Bosskämpfen verhält es sich fast mehr wie ein Hack'n'Slay, wo man mit präzisem Timing viel erreichen kann. Als ich einmal einen Boss besiegt habe, der 20 Level über meine Party war, war ich doch sehr zufrieden mit mir selbst. Das war aber eben auch nur möglich, weil diese Action-Komponente die Möglichkeit bietet, die reinen Zahlenwerte zu übertreffen, die sonst z.B. in rundenbasierten RPGs entscheidend sind.
Von Gameplay-Seite her hat mich am meisten überzeugt, dass unnötiges Fett einfach weggetrimmt ist. So wie ich das nach kurzer Stöberei gelesen habe, scheint das aber auch eine durchgehende Qualität von Ys zu sein. Die Bewegungsgeschwindigkeit ist hoch, die Kämpfe dauern nie zu lang, das Ressourcensammeln funktioniert buchstäblich im Vorbeilaufen, es gibt quasi von Beginn an ein Fast-Travel-System. Man ist schnell überall da, wo man sein will und dieses Tempo und die Dynamik fand ich von Anfang an sehr, sehr angenehm. Dass dieses flotte und übergangslose Gameplay zwischen Erkundung, Ressourcensammelei und Kampf fast permanent von einem entsprechend knalligen und pumpenden Soundtrack begleitet wird, war für mich die Kirsche auf dem Eis. Ich mag diese cheesyge Gitarrenschrammelei ja ziemlich und speziell das Geballer, das man während der Beast Raids hört, werd ich noch ne Weile im Ohr haben.
Die meisten Lieder aus den verschiedenen Inselgebieten haben diesen Erkundungstrieb und das hohe Spieltempo wunderbar für mich ergänzt. Und zum GLÜCK kann man die gefundenen Materialien im Lager auch gegen wirklich nützliche Items eintauschen. Das ist ja leider auch nicht bei jedem Spiel der Fall.
Zwischenzeitlich dachte ich so für mich, dass Ys 8 im Prinzip die komplette Antithese zu nem Spiel wie Skyrim ist. Das Tempo ist hoch, es gibt keinen Ambience-Soundtrack, sondern E-Gitarre, Action-Kampf und ne J-RPG-typisch sehr präsente Hauptstory. Zeigt mir auch nochmal deutlich auf, warum Skyrim mir außer beim Weltdesign nie so recht taugte.
So sehr ich die Thematik von Beginn an mochte - es handelt sich hierbei nunmal um ein J-RPG und später zieht sich der Fokus der Geschichte weiter auf und natürlich wird's wieder monumental. Ich muss ja sagen, dass ich das nicht unbedingt immer brauche. Gerade deswegen hat mir Octopath ja auch so gut gefallen. Man muss wegen mir nicht immer die ganze Welt retten. Zum Glück blieb das Schiffbrüchigen-Thema mit dem Ziel, von der Insel runterzukommen, im Hintergrund immer erhalten. Aber was ich wirklich möchte (und da kann man meinetwegen gern mit den Augen rollen, wenn man das Bedürfnis hat), waren die Charaktere. Einige Nebenfiguren fand ich so charmant und sind mir so ans Herz gewachsen wie bei den meisten Spielen nichtmal die Hauptcharatere. Das war den Entwicklern ja offensichtlich auch ein Bedürfnis, da man immerhin jeden einzelnen von ihnen noch näher kennenlernen und mehr über ihn erfahren kann. Und zum Glück gehts da nicht in jedem zweiten Gespräch übers Kochen (Ich schaue in deine Richtung, Fire Emblem Fates).
Dasselbe gilt auch für die Hauptfiguren. Ricotta war bis kurz vor Schluss meine Lieblingsfigur aus dem Main Cast.
Dass man mit Adol den typischen schweigsamen Helden hat, hat mich stellenweise mehr gestört als es das normalerweise tut. Das liegt vermutlich daran, dass ich Adol hier gar nicht so sehr als DEN Hauptcharakter wahrgenommen habe. Zu nem Link passt es für mich (auch weil einem da selten viel Story reingelöffelt wird), aber hier hätte ich mir wenigstens gewünscht, dass die Dialog-Zeilen, die man ab und zu mal auswählen durfte, vertont gewesen wären. An ein, zwei wichtigen Stellen ist das ja der Fall. Aber gut, das ist der achte Teil einer Reihe, in der Adol vermutlich immer stumm war, da würd ich mir als Entwickler auch überlegen, ob ich jetzt mit einer Stimme und stärkerer Personalisierung anfangen möchte. ^^
Btw, ich habs auf japanisch gespielt, das Voice Acting fand ich super. Ich könnte mir nichtmal vorstellen, das Spiel auf englisch durchzuspielen. Was mir immer wieder positiv auffiel, waren die eingestreuten humorigen Noten. Für mich hat's irgendwie genau gepasst. Ich fand die Pointen meistens sehr unterhaltsam und ich hab paar mal gut gelacht. Zum Glück leidet das Spiel in der Hinsicht auch nicht unter dem Star Trek-Phänomen, dass sich alles Nennenswerte nur unter dem Main Cast abspielt. Viele Nebencharaktere bekommen ihre Momente zu glänzen, was gut und wichtig ist in nem Setting, wo es ja darum geht, dass eine Bande von Schiffbrüchigen eine Gemeinschaft bilden und jeder was beitragen muss.
Das Ende des Spiels (ich hatte das True Ending und wusste bis eben nichtmal, dass es auch andere gibt) war jetzt von der Geschichtsauflösung her nicht gerade der Weisheit letzter Schluss und ich rieche hier und da einige Storylöcher, aber die Art, wie es erzählt und präsentiert wird, ging auf jeden Fall nicht spurlos an mir vorbei. Ich glaube, Dana ist vom Fleck weg zu meinem liebsten weiblichen Hauptcharakter überhaupt avanciert. Man hat sich im Rahmen seiner Möglichkeiten schon Mühe gegeben, die Charaktere etwas zu nuancieren und sie auszufüllen, aber Dana hat sie für mich alle in die Tasche gesteckt. Ich finde, sie ist so ein sympathischer und einnehmender Charakter, dass dieses bittersüße Ende vermutlich allein wegen ihr so sehr für mich wirkte.
Alles in allem habe ich, trotz aller technischer Probleme oder kleinen Dingen, die ich hier und da noch kritisieren könnte, den Kauf absolut nicht bereut. Würde sogar sagen, ist bisher einer meiner besten Käufe auf der Switch gewesen und daher auch noch großen
Dank an Yopparai, ohne dessen heftiges Rühren der Werbetrommel ich vielleicht an dem Spiel vorbeigegangen wäre.
So, zwei Dinge wollte ich dann auf jeden Fall nochmal anmerken, weil sie für mich wichtig sind, aber die gehören definitiv ins Spoiler-Territorium:
Die Episode mit dem Tod des Käptens und dem namenlosen Mörder fand ich zunächst sehr cool, weil es eine spannende Zwischenepisode im frühen Storyverlauf war und ich auch nicht dachte, dass sie eine so zentrale Figur aus dem Spiel nehmen würden. Eine Sache, die mich an modernen Spielen oft stört, ist eine gewisse Vorhersehbarkeit und starke Strukturierung der Geschichte und Spielelemente. Nach dieser Sache dachte ich, fortan könnte ALLES Mögliche passieren. Dass von da an sogar extra ein Abschnitt "Dead" im Journal geführt und die Figuren darunter gelistet wurden, hat in meinem Kopf einen ganzen Topf voller Möglichkeiten aufgemacht. Ich dachte, dass dieses Schiffbrüchigen-Konzept noch viel stärker im Spiel ausgespielt werden würde. Verschiedenste Leute, die sich auch nicht alle immer grün sind, stranden auf einer feindseligen Insel und kämpfen ums überleben. Ich dachte mir, möglicherweise sterben im Laufe des Spiels noch mehr, entweder weil sie bei einem Monsterangriff umkommen, sich für die Gruppe opfern, verschwinden oder gegenseitig aufknüpfen. Nach dem Tod des Käptens passiert genau NICHTS dieser Art.
Nach gut 30 oder 40 Stunden war ich sogar bisschen verärgert über diese Episode des Nameless Rippers, weil sie mir für die Gesamthandlung so sinnlos erscheint. Dieser Mörder wird kurzzeitig als ganz großes Ding eingeführt, aber löst sich fünf Minuten später schon wieder auf, der Mörder kommt aus dem Spiel und nimmt dazu noch eine sympathische Figur mit raus. Ich fand extrem unbefriedigend, dass von da an gefühlt wieder eine Sicherheitskuppel über das Heimlager gestülpt wurde und dieser Story-Strang gefühlt nichts für die Gesamthandlung tut. Ein Kumpel meinte, dass diese Episode vermutlich dazu dienen sollte, die Gemeinschaft stärker zusammenzuschweißen, damit sie von da an alle an einem Strang ziehen, aber dann hätten für mein Empfinden zuvor stärkere Konflikte eingestreut werden müssen. Eigentlich konnten sich bis dahin alle schon ganz gut leiden und drauf einigen, dass nur der doofe Carlan lästig ist. Dass DER später wieder zurückkommen durfte, hab ich dann fast schon als Beleidigung empfunden. ^^
Von daher: Ich find schade, dass da in meinen Augen erzählerisches Potenzial liegen gelassen wurde.
Das Ende fand ich deshalb so bittersüß, weil Dana eine unheimlich sympathische Figur ist, gleichzeitig aber auch die tragische Figur dieser Geschichte, in einem Sinne, der das Wort auch wirklich verdient. Hier fand ich erzählerisch wieder ziemlich krass (im positiven Sinne), wie einen die Entwickler diese vergangene Ära knallhart bis zum bitteren Ende ausspielen lassen, obwohl man schon weiß, wie das Ganze ausgehen wird. Die Stimmung, die die eingeschneite Hauptstadt bot, ging mir echt bisschen unter die Haut. Und dass man Dana, die überhaupt keine Schuld trägt, von links und rechts mit Hass und Abscheu begegnet von Leuten, die sie zuvor mochten, ging mir echt bisschen nah. Aber ich mochte eben auch, wie der Charakter geschrieben ist und wie sie damit umging. Olga war neben ihr vermutlich mein zweitliebster Charakter, obwohl ich anfangs dachte, sie sei halt nur wieder die typische "vernünftige Nörglerin". ^^ Als ich in Danas Nebenquest Olgas letzte Nachricht fand, war ich fast zu Tränen gerührt (etwas überspitzt gesagt ^^)
Was mir am Ende gefiel, dass es kein reines Happy End war. Gerade für die Figur Dana ging ja nicht gerade alles gut aus. Sie musste trotz aller Bemühungen ansehen, wie ihr Volk und ihre Freunde krepierten, hat sich selbst aus der Welt verabschiedet und steckt von da an auf ewig mit einem wichtigen, aber vermutlich freudlosen Job fest. Aber sowas ist mir allemal lieber und genau deshalb beschäftigt mich das jetzt noch viel stärker als so ein lahmarschiges "AM ENDE IST DOCH ALLES GUT"-Ende wie in Xenoblade 2, das mir rückwirkend fast das ganze Spiel vermiest hat.
Und nochmal ne Frage am Ende: Wenn durch das Ende keine Promordials mehr existieren, wieso kann Laxia diese dann weiterhin erforschen? Es gibt doch de facto nichts, was man da noch erforschen kann ^^ Kam mir wie ein ziemlich offensichtlicher Story-Stolperer vor. Aber gut, ich darf auch sicher nicht zuviel erwarten, wenn die Story buchstäblich mit "Es war alles nur ein Traum" aufhört. OBWOHL ich ihnen Credit dafür geben möchte, dass sie sich versuchen, ne konsequente Lösung dafür zu überlegen. Ich meine, der Hauptcharakter setzt buchstäblich die Evolution außer Kraft und zerstört ein zentrales Exitenzkonzept der Welt. Da die Hauptcharaktere nicht einfach sagen zu lassen "Wir leben einfach auf unsere Art weiter", wie das in J-RPGs gern mal am Ende gemacht wird, rechne ich ihnen immerhin irgendwie an. ^^
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So.... das dürfte erstmal alles gewesen sein. ^^
Sorry für den Roman, aber das Spiel hat so stark auf mich gewirkt, dass es ansonsten ewig in mir weitergebrodelt hätte. ^^