Paper Mario – The Thousand-Year Door (2024)
Hab es seit Sonntag durch. Ja, 25 Stunden in nur 4 Tagen ist ne Hausnummer, aber da ich diese Woche wenig Zeit habe, wollte ich das auf jeden Fall vorher durchballern.
Es ist mir nahezu unmöglich, unbiased an dieses Spiel heranzugehen, verbinde ich damit doch ganz explizite Kindheitserinnerungen. Dass ich schon als Kind einige Stellen der deutschen Übersetzung merkwürdig fand, hab ich in diesem Forum schon unzählige Male erzählt. Damit will ich nicht sagen, sie sei schlecht, aber da ich englisch und deutsch in der neuen Version ab und zu vergleichend sehen konnte (meine Schwester spielt es auf deutsch, ich auf englisch), ziehe ich die englische Fassung mittlerweile deutlich vor. Nicht nur wegen des damals vorhandenen und heute endgültig ausgebesserten (Deliberate) Lost in Translation-Teils, sondern weil die englischen Texte deutlich mehr Schärfe haben und mit besseren Wortwitzen daherkommen. Fantastisch geschrieben!
Als erstes springt die Grafik ins Auge. Paper Mario 2 dürfte eines der schönsten Switch-Spiele sein. Ich habe keine Ahnung, ob das alles wirklich überraschend hochaufgelöste Texturen sind und warum jede Oberfläche reflektiert, aber verdammt, sieht das geil aus! Das neue Lighting lässt Innenräume und viele Situationen viel atmosphärischer rüberkommen. Der Haken bei der Sache ist, dass es – im Gegensatz zum Original – nur mit 30FPS läuft, aber daran gewöhnt man sich schon. Es ist ja kein schnelles Action-Spiel. Ein Wermutstropfen …
Neu ist auch die Musik! Komplett neu eingespielt mit echten Instrumenten (oder es klingt echt). Für mich war das ein Grund zur Freude, als ich das hörte, aber recht früh sollte sich zeigen, dass die neue Musik nicht immer überzeugt. Gerade am Anfang (Chapter 1,2) klangen viele Neuinterpretationen wie lauter Lärm, in dem die Grundmelodie untergeht. Ein Charakteristikum des Soundtracks, das ich glaub ich nicht wirklich in Worte fassen kann, geht mit der neuen Musik oftmals flöten. Man kann über einen billigen Orden die alte Musik wieder zurückholen! Da ich die neuen Tracks alle hören wollte, hab ich das aber nicht gemacht – zum Glück! Ab Chapter 4 trifft die Musik deutlich eher meinen Geschmack (eigentlich schon ab Chapter 3) und kann im letzten Drittel sowie im gesamten letzten Part mit atmosphärischen Highlights punkten. Super ist, dass die Kampfmusik in jedem Chapter ein eigenes Theming untergejubelt bekommt, gerade die Schneelevel-Variante ist ein absoluter Banger! Beim Endboss mag ich zwar, was sie damit gemacht haben, aber das Original hatte einen Punch, an den man hier nicht rankommt. Während viele der neuen Tracks „übertreiben“, wirkt der zu „zahm“. So ist die neue Musik für mich am Ende eine mixed bag mit einigen Fehltritten und vielen Highlights.
Spielerisch hat sich nicht so viel getan. Gefühlt sind einige Action-Kommandos extrem erleichtert bzw. der benötigte Input nach hinten verlegt worden (?, oder das Fenster ist größer, besonders bei Inputs wie diesem Sternjuwel-Beben, oder ich bilds mir nur ein). Netterweise gibt es einige Orden, mit denen man die Action-Kommandos wahlweise schwieriger oder noch leichter machen kann. Auch der erlittene Schaden lässt sich erhöhen. Diesen „Autsch“ (DMGx2 für Mario) genannten Orden habe ich benutzt, um zumindest stellenweise sowas wie Anspruch zu finden, denn das Spiel ist unfassbar leicht. Ich hatte es eigentlich als einigermaßen moderat in Erinnerung, aber ich war als Kind wohl nur sehr viel dümmer. So machten mir Gegner doppelten Schaden, was sehr heikel wird, wenn man nur 20 HP hat, der Gegner aber +20 Schaden macht. Ich habe bis kurz vorm Ende mit folgender „Skillung“ gespielt:
0x HP gelevelt (+ HP Plus Orden auf 20)
1x BP gelevelt (+ BP Plus Orden auf 20)
Der Rest ging in Ordenpunkte. Auf diese Weise konnte ich mir ein Powerhouse bauen, das alles bis zum letzten Dungeon ummähte. Bei einem Boss dort wurde es dann aber knackig und beim Endgegner sah ich damit überhaupt gar kein Land mehr, also dachte ich mir: Okay, dann tausche ich ein paar OP für HP ein (man kann umskillen). Doch dann fiel mir ein, dass es ja den Danger-Mario gibt, also warum nicht all in gehen? HP runter auf 5 HP und Close Call etc. stacken. Ich kann so gut wie nicht mehr getroffen werden und mach völlig absurden Damage. Damit war der Endboss dann natürlich trivial und ich habe – zum ersten Mal überhaupt! - die Pit of 100 Trials geschafft. Der dortige Boss hat mich tatsächlich doch mal getroffen und getötet. Hatte zufällig einen Wiederbelebungspilz dabei, Gott was war ich nervös da unten!
Einerseits ist das Balancing vom Spiel im negativen Sinne wild (Spiel zu einfach, Mario unendlich stark), andererseits ist es schon irgendwie cool, so völlig kaputte Sachen machen zu können. Dass es ein eher leichtes Spiel ist, hat mich doch etwas überrascht, aber dass man es anpassen kann, ist super.
Quality of Life ist das große Stichwort für dieses Remake. Die Veränderungen sind allesamt eher klein, aber aufgrund ihrer Fülle läppert sich das. Klasse ist bspw. das Partner Wheel, mit dem man durch Halten von L den Partner wechseln kann, ohne durch’s Menü navigieren zu müssen. Das spart, vor allem gegen Ende, wo man für Rätsel- und Geschicklichkeitseinlagen oft den Partner wechseln muss, einiges an Zeit, obwohl nur wenige Inputs pro Wechsel wegfallen. Bei der nicht existenten Laufgeschwindigkeit von Mario hat man leider nichts gemacht, weswegen das ewige Hin und Her-Gelaufe immer noch nervig sein kann. Nur Yoshi hilft da etwas aus. Trotzdem muss gesagt sein, dass die schrecklichste Zwischenmission im letzten Drittel des Spiels, in der man vollkommen unnötig und nervig durch die ganze Welt geschickt wird, im Remake deutlich angenehmer ist und schneller vonstatten geht, weil das Quick Travel-System verbessert wurde. Statt eines ewig langen Korridors mit Röhren, von denen man kaum weiß, wo sie hinführen, gibt es jetzt einen großen Raum mit den Röhren zu allen Leveln mit eindeutigen Hinweisen, wo sie hinführen. Dieser Raum bekommt zudem eine Abkürzung von Rohlingen nach unten, was das Hin und her reisen enorm verbessert. Das öde Hin und her-Gerenne plagt das Spiel also noch heute, aber es ist erträglicher. Eine Schnellreisefunktion per Karte hätte trotzdem nicht geschadet. Das recht beschränkte Item-Inventar nervt immer noch, obwohl es von 10 auf 15 Plätze erweitert wurde. Es hört nie auf, dass man ein neues Item bekommt, weshalb man etwas wegwerfen muss. Die Handhabe davon ist immerhin verbessert worden. Das Inventar kann zudem auf 20 Plätze erweitert werden. Ich könnte sicher ewig so weiter machen und jedes kleine QoL-Feature aufzählen oder erzählen, dass die Bubus im 2. Dungeon jetzt endlich nicht mehr bei jeder Kurve irgendwo runterfallen, aber das soll es gewesen sein!
Kommen wir mal zu dem wichtigeren Aspekt: Story und Charaktere. Was ist das alles toll! Ich brauch niemandem erzählen, dass die Geschichte des Spiels simpel und kindgerecht ist. Man kann sich nicht mal vom typischen Woman in Distress lösen, denn Peach wird selbstverständlich entführt – immerhin mal nicht von Bowser! Trotzdem werden diese altbekannten Erzählungen mit neuen, interessanten (ebenso alten) Erzählungen verknüpft. Es geht um eine alte Ruinenstadt, die vor tausenden Jahren untergegangen war und der dortige Schatz entpuppt sich womöglich nicht als das, was man erwartete. Auch wie das alles erzählt wird, ist interessant, denn Peach wird hier aktiv: man spielt sie, so dass sie zur Lösung der Probleme aktiv beiträgt, indem sie Mario – wie auch im ersten PM – mit Informationen versorgt. Ihr Companion, TEC, ist ebenfalls ein Beispiel für einen tollen Charakter in diesem Spiel! Bowser versucht Peach zu retten, weil nur er sie entführen darf. Das ist teilweise sehr witzig, aber ansonsten nicht so pralle. Die klassischen 2D-Passagen wirken teils sehr random und bringen höchstens ein kleines Schmunzeln hervor.
Die Story ist wie gesagt zwar simpel (McGuffins in Form von Sternjuwelen hinterherrennen), aber durch die mehreren ineinandergreifenden Ebenen und dadurch, dass die unterschiedlichen Fraktionen (Crucionen / X-Naut, Mario, Bowser, der Endgegner) in Kombination mit einer Hintergrundgeschichte für die Katakomben verhandelt werden, wird ein für ein Mario-Spiel beachtliches Story-Maß erreicht. Vor allem die Interaktionen zwischen den Figuren tragen dazu bei, dass die öde Prämisse nicht langweilig wird.
Die einzelnen Settings sind ebenfalls der Hammer. Ob es die verdreckte Verbrecherstadt Rohlingen ist, die Kampfarena in den Wolken, das Unheimliche im Düsterdorf, das Romantische im Piratenlevel, ob es das Bedrohliche im letzten Dungeon ist, es ist eine einzige Wonne. Für Abwechslung ist ebenfalls gesorgt, denn später spielt man in einem Zug Detektiv. Ein Downer stellen hin und wieder die Aufgaben dar, die zu den jeweiligen Kapiteln führen. Die größte Frechheit ist hier der Weg zum
bei dem man durch die ganze Welt geschickt wird.
Jedes Chapter erzählt eine nette, kindgerechte, aber immer charmante Geschichte. Vor allem Chapter 3 (Falkenheim) und Chapter 4 (Düsterdorf) sind faszinierend! Die Motivationen und Geschichten der einzelnen Partner sind mal mehr und mal weniger interessant: Da hätten wir mal was zu Mobbing, Identität und Akzeptanz mit Vivian / Barbara, aber auch Langweiliges wie ein alter Theaterstar mit Aerone / Madame Flurrie (wobei selbst das in der neuen Version zumindest im post game nochmal lustig aufgegriffen wird). Ich will die Story hier in keinster Weise überhöhen, aber da steckt schon ein bisschen was drin!
Gibt es sonst noch Kritikpunkte? Das Spiel ist strikt linear, aber ehrlich gesagt finde ich das zur Abwechslung mal ganz gut. Rohlingen als Hub funktioniert zudem ganz gut, was der Linearität etwas entgegenkommt. Was man leider nicht verbessert hat, ist das System für die Nebenquests. Obwohl es im Journal anscheinend sowas wie ein Questlog gibt, kann man wieder nur einen einzigen Job gleichzeitig annehmen. So macht das keinen Spaß, weshalb eigentlich nur die von Nagerine / Ms. Mouz zu empfehlen ist (geht aber nicht über hin und her laufen hinaus).
Paper Mario 2 ist und bleibt das beste Paper Mario und einer der besten GameCube-Spiele, das jetzt völlig zurecht in neuem Lichte erstrahlt mit super Aktualisierungen, modernisierenden QoL-Features, Abkürzungen, die die größten Schwachstellen zumindest eindämmen, neuer und alter Musik, einem neuen Post Game und allem drum und dran. Abzüge gibt es nur aufgrund des ewigen Hin und her-Gelatsches und des recht niedrigen, aber mit Orden individuell einstellbaren Schwierigkeitsgrades. Unbedingt zocken!
9/10