Warum ich dem redaktionellen Spielejournalismus den Rücken kehre
Verfasst: 05.04.2016 17:04
Hallo,
viele Jahre lang war ich ein begeisteter Leser von Spielejournalismus. Das fing als Kind und den alten Ausgaben der 'N-Zone' an und hat sich über die Jahre durch Online-Redaktionen manifestiert. Aber seit geraumer Zeit muss ich eine Entwicklung bei mir feststellen: Kennt ihr das auch? Man wartet sehnlich auf den Test, der die Entscheidung bringen soll: Kauf ich das Spiel oder spar ich mir das Geld? Als der Test dann endlich erscheint, klickt man nur kurz auf 'Fazit' und die Wertung übernimmt den Rest. Das ist dann auch alles, was ich von dem Test wissen will. Was ist also aus dem neugierigen und leseeifrigen Kind geworden? Bin ich einfach nur zu faul? Ist mein Interesse an Spiele weniger geworden?
Der Grund ist ein Anderer. Was mir als Kind noch nicht bewusst war, ist, dass Spielejournalismus im Grunde immer auf eine Kaufberatung hinausläuft. Am Schluss stellt sich immer die Frage lohnt es sich das Spiel, die Konsole, das DLC zu holen? Damals war ich dankbar für die Spielejournalisten, die mir diese Frage meistens korrekt beantworten konnten. So war mein Geld immer sicher angelegt. Doch mittlerweile sind die Ansprüche, die ich an einem Spiel ansetze, sehr gestiegen. Ich will "geflasht" werden. Ich will die berühmten Magic Moments erleben. Ich will überrascht werden. Und ich habe erkannt, dass mir der Spielejournalismus genau in der Hinsicht im Weg steht. Denn dieser raubt dem Spiel jegliche Magie. Schon weit vor dem Release werden Trailer und Gameplay-Videos veröffentlich, die dann bis ins Detail auseinander genommen werden. Das Art-Design ist noch vor dem Kauf vertraut, die Steuerung schon verinnerlicht. Wichtige Plot Punkte wurden in den Kommentaren zu den Trailern gespoilert, das revolutionäre Kampfsystem wird in einem 10-minütigen Video bis in seine Einzelteile zerlegt, die herausragende Atmosphäre wird in einem detailierten Bericht komplett entzaubert. Dann kauft man sich das Spiel und erkennt: ich weiß bereits alles. Weder wurde ich überrascht, noch "geflasht" und natürlich bleiben dann auch die Magic Moments aus. Ich habe das Spiel genau so konsumiert, wie es mir durch den Spielejournalismus vorgekaut wurde. Meistens wird ein Kauf in dieser Situation total überflüssig, so habe ich doch schon jegliches Gefühl, dass das Spiel bei mir auslösen soll bei einem Video oder einem Bericht verbraucht.Mir wurde klar, dass es eigenverantwortlich ist, wie stark man davon beeinflusst wird, bzw. Gerbauch davon nimmt. Also bin ich jetzt an dem Punkt angelangt, an dem ich die Scheuklappen einfach schließe, mir anhand der Bewertung, die ich auch nicht all zu ernst nehme, ein grobes Bild von der Qualität des Spiels mache und dann einfach drauf los spiele. Und ich muss sagen: Es funktioniert bedauerlicherweise sehr gut. Kein Spiel zieht dich so sehr in den Bann, wie eins, von dem du zunächst nicht weißt, dass es genial ist oder warum es genial ist.
Ich fühle mich vom deutschen Spielejournalismus ausgeschlossen und das, obwohl es so viele interessante Themen über Spiele gibt. Spiele sind ohne Zweifel eine Kunstform, genau, wie man es von Musik oder Filmen auch behaupten kann. Aber wird jemals darüber berichtet, warum man ein Spiel als Kunstwerk bezeichnet werden kann? Viel zu selten. Wie oft habe ich schon gelesen, dass das "Leveldesign" eines Spiels hervorragend sei. Sag mir doch in einer genauen Analyse warum das Leveldesign so meisterlich ist, anhand von konkreten Beispielen, inwiefern ist dieses Leveldesign in anderen Elementen des Spiels wie zum Beispiel der Story wiederzufinden? Kann man dieses Leveldesign in irgendeiner Form interpretieren? Natürlich richten sich deartige Artikel für Leser, die das Spiel bereits durchgespielt haben.
Testberichte versuchen schon oft, solche Themen anzuschneiden, werden aber aus Angst dem Leser zu viel zu vorwegzunehmen viel zu oberflächlich behandelt. Gleichzeitig rauben Sie durch solche Andeutungen aber dann doch den Spielspaß für Leute, die noch nichts von dem Spiel wissen und es gerne selbst entdeckt hätten. So versagen Tests nicht nur als Kaufberatung, sondern auch als unkonventionelle, interessante Artikel für Leute, die nach dem Durchspielen eine Disskusion suchen. Der deutsche Spielejournalismus sollte sich endlich von der Funktionalität als Kaufberatungsplattform entfernen und unabhängige, interessante, subjektive Artikel über die vielen nicht erwähnten Aspekte und Qualitäten von Spiele veröffentlichen, so wie es sich für eine Kunstform gehört.
Vielleicht verlange ich den Redakteuren aber auch zu viel ab, denn solche Artikel bedeuten großen Arbeitsaufwand mit dem Risiko, dass sie aufgrund ihrer Komplexität oder Unzugänglichkeit nicht gelesen werden. Was also bleibt sind Testberichte, zu oberflächlich, um mich nach dem Durchspielen zu interessieren und zu preisgebend, um mich vor dem Kauf zu informieren. Daher kehre ich dem Spielejournalismus den Rücken. Natürlich werde ich auch weiterhin meine News beziehen und bei all der Kritik sei auch gesagt, dass 4Players von den deutschsprachigen Redaktionen meinen Vorstellungen von Spielejournalismus am ehesten entsprechen.
Was mich jetzt brennend interessiert: Wie steht ihr zu der Sache?
Lest ihr Tests vor dem Kauf (oder auch nachdem Durchspielen), oder sieht ihr euch nur die Wertung an?
Ist für euch das Spiel mit den Credits vorbei oder wünscht ihr euch ebenfalls Artikel, die zum erneuten Nachdenken über ausgewählte Spiele anregen?
Könnt ihr mich verstehen oder vertritt ihr eine komplett andere Meinung?
viele Jahre lang war ich ein begeisteter Leser von Spielejournalismus. Das fing als Kind und den alten Ausgaben der 'N-Zone' an und hat sich über die Jahre durch Online-Redaktionen manifestiert. Aber seit geraumer Zeit muss ich eine Entwicklung bei mir feststellen: Kennt ihr das auch? Man wartet sehnlich auf den Test, der die Entscheidung bringen soll: Kauf ich das Spiel oder spar ich mir das Geld? Als der Test dann endlich erscheint, klickt man nur kurz auf 'Fazit' und die Wertung übernimmt den Rest. Das ist dann auch alles, was ich von dem Test wissen will. Was ist also aus dem neugierigen und leseeifrigen Kind geworden? Bin ich einfach nur zu faul? Ist mein Interesse an Spiele weniger geworden?
Der Grund ist ein Anderer. Was mir als Kind noch nicht bewusst war, ist, dass Spielejournalismus im Grunde immer auf eine Kaufberatung hinausläuft. Am Schluss stellt sich immer die Frage lohnt es sich das Spiel, die Konsole, das DLC zu holen? Damals war ich dankbar für die Spielejournalisten, die mir diese Frage meistens korrekt beantworten konnten. So war mein Geld immer sicher angelegt. Doch mittlerweile sind die Ansprüche, die ich an einem Spiel ansetze, sehr gestiegen. Ich will "geflasht" werden. Ich will die berühmten Magic Moments erleben. Ich will überrascht werden. Und ich habe erkannt, dass mir der Spielejournalismus genau in der Hinsicht im Weg steht. Denn dieser raubt dem Spiel jegliche Magie. Schon weit vor dem Release werden Trailer und Gameplay-Videos veröffentlich, die dann bis ins Detail auseinander genommen werden. Das Art-Design ist noch vor dem Kauf vertraut, die Steuerung schon verinnerlicht. Wichtige Plot Punkte wurden in den Kommentaren zu den Trailern gespoilert, das revolutionäre Kampfsystem wird in einem 10-minütigen Video bis in seine Einzelteile zerlegt, die herausragende Atmosphäre wird in einem detailierten Bericht komplett entzaubert. Dann kauft man sich das Spiel und erkennt: ich weiß bereits alles. Weder wurde ich überrascht, noch "geflasht" und natürlich bleiben dann auch die Magic Moments aus. Ich habe das Spiel genau so konsumiert, wie es mir durch den Spielejournalismus vorgekaut wurde. Meistens wird ein Kauf in dieser Situation total überflüssig, so habe ich doch schon jegliches Gefühl, dass das Spiel bei mir auslösen soll bei einem Video oder einem Bericht verbraucht.Mir wurde klar, dass es eigenverantwortlich ist, wie stark man davon beeinflusst wird, bzw. Gerbauch davon nimmt. Also bin ich jetzt an dem Punkt angelangt, an dem ich die Scheuklappen einfach schließe, mir anhand der Bewertung, die ich auch nicht all zu ernst nehme, ein grobes Bild von der Qualität des Spiels mache und dann einfach drauf los spiele. Und ich muss sagen: Es funktioniert bedauerlicherweise sehr gut. Kein Spiel zieht dich so sehr in den Bann, wie eins, von dem du zunächst nicht weißt, dass es genial ist oder warum es genial ist.
Ich fühle mich vom deutschen Spielejournalismus ausgeschlossen und das, obwohl es so viele interessante Themen über Spiele gibt. Spiele sind ohne Zweifel eine Kunstform, genau, wie man es von Musik oder Filmen auch behaupten kann. Aber wird jemals darüber berichtet, warum man ein Spiel als Kunstwerk bezeichnet werden kann? Viel zu selten. Wie oft habe ich schon gelesen, dass das "Leveldesign" eines Spiels hervorragend sei. Sag mir doch in einer genauen Analyse warum das Leveldesign so meisterlich ist, anhand von konkreten Beispielen, inwiefern ist dieses Leveldesign in anderen Elementen des Spiels wie zum Beispiel der Story wiederzufinden? Kann man dieses Leveldesign in irgendeiner Form interpretieren? Natürlich richten sich deartige Artikel für Leser, die das Spiel bereits durchgespielt haben.
Testberichte versuchen schon oft, solche Themen anzuschneiden, werden aber aus Angst dem Leser zu viel zu vorwegzunehmen viel zu oberflächlich behandelt. Gleichzeitig rauben Sie durch solche Andeutungen aber dann doch den Spielspaß für Leute, die noch nichts von dem Spiel wissen und es gerne selbst entdeckt hätten. So versagen Tests nicht nur als Kaufberatung, sondern auch als unkonventionelle, interessante Artikel für Leute, die nach dem Durchspielen eine Disskusion suchen. Der deutsche Spielejournalismus sollte sich endlich von der Funktionalität als Kaufberatungsplattform entfernen und unabhängige, interessante, subjektive Artikel über die vielen nicht erwähnten Aspekte und Qualitäten von Spiele veröffentlichen, so wie es sich für eine Kunstform gehört.
Vielleicht verlange ich den Redakteuren aber auch zu viel ab, denn solche Artikel bedeuten großen Arbeitsaufwand mit dem Risiko, dass sie aufgrund ihrer Komplexität oder Unzugänglichkeit nicht gelesen werden. Was also bleibt sind Testberichte, zu oberflächlich, um mich nach dem Durchspielen zu interessieren und zu preisgebend, um mich vor dem Kauf zu informieren. Daher kehre ich dem Spielejournalismus den Rücken. Natürlich werde ich auch weiterhin meine News beziehen und bei all der Kritik sei auch gesagt, dass 4Players von den deutschsprachigen Redaktionen meinen Vorstellungen von Spielejournalismus am ehesten entsprechen.
Was mich jetzt brennend interessiert: Wie steht ihr zu der Sache?
Lest ihr Tests vor dem Kauf (oder auch nachdem Durchspielen), oder sieht ihr euch nur die Wertung an?
Ist für euch das Spiel mit den Credits vorbei oder wünscht ihr euch ebenfalls Artikel, die zum erneuten Nachdenken über ausgewählte Spiele anregen?
Könnt ihr mich verstehen oder vertritt ihr eine komplett andere Meinung?