Doktorarbeit über Videospiele

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The_Edge1982
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Doktorarbeit über Videospiele

Beitrag von The_Edge1982 »

Hi,

ich arbeite seit Juni an meiner Doktorarbeit in Theaterwissenschaft über Storytelling in Videospielen.


Ich freue mich über jede Form der Unterstützung bzw. Interesse und Tipps. Auch für einen langjährigen, leidenschaftlichen Zocker wie mich, ist der Markt relativ unübersichtlich und in Deutschland stößt man auf wenig Interesse bei Medien und Instituten, wenn man sich wissenschaftlich mit Games beschäftigt, ohne explizit Gewalt zu thematisieren.

Deshalb ruf ich hin und wieder mal (wie jetzt) in den Wald rein und schau, was eigtl so rauskommt. :)
Zuletzt geändert von The_Edge1982 am 15.10.2012 00:04, insgesamt 1-mal geändert.
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Deuterium
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Re: Doktorarbeit über Videospiele

Beitrag von Deuterium »

Wie stellst du dir denn eine angemessene Hilfe vor? Ich weiß nämlich gar nicht so recht, worauf du hinauswillst. Sollen wir unsere eigene Sicht der Dinge darlegen, warum wir Videospiele spielen, darüber im Allgemeinen philosophieren, oder wie? Mach doch vielleicht mal selbst den Anfang. Wer nichts in den Wald hineinruft, dem schallt auch nichts hinaus. Aber vielleicht hab ichs auch einfach nicht kapiert. Ich hab vielleicht eben ein bisschen viel Lösemittel eingeatmet :lol:
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Almalexian
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Re: Doktorarbeit über Videospiele

Beitrag von Almalexian »

Wenns darum geht, warum wir in vielen Spielen eine Geschichte zum Spiel dazu haben:

In den meisten Spielen sehe ich Storys nur als Mittel zum Zweck. Sie halten die Interaktionen logisch zusammen und geben einen Hintergrund, warum man in einem Spiel dies und das tut. Man sieht es gut daran, dass viele 0815-Titel (CoD, e.g.), ein Setting suchen und dies mit einer dürftigen Geschichte ausschmücken. In keinster Weise künstlerisch wertvoll, aber zweckdienlich. Denn im Grunde gehts nur ums Ballern.
Wird die Story in den Vordergrund gelegt, wird es direkt komplizierter. Während Filme und Fernsehen reine Berieselungssysteme sind und bei Büchern und Hörbüchern die Interaktivität nur in einem fast selbstverständlichen Bilderzeugungssystem liegt, sind Spiele mit Story im Grunde ein sehr exotisches schöngeistiges Medium, da in ihnen ein stark interaktives Element liegt, was im Grunde genommen aus dem nicht storygebundenen und mit Medien wenig zu tun habenden Sport kommt.
Der Grundgedanke liegt trotzdem anders, nämlich in den Büchern. Die Story eines Computerspiels, die sich aufwändig nennen darf, sucht den Vergleich mit Büchern bzw. deren Nachfolgern, den Filmen. Sie soll nach Möglichkeit eine gleichwertige bis höherwertigere Erfahrung bieten (dass das Popcorn-Kino seine Schwelle dabei zunehmend niedriger legt und der Büchermarkt mit Promi-Biografien, "Twilight" und "Shades of Grey" auch kein lupenreiner Diamant ist, sei dahingestellt). Problematisch wird es, wenn hierauf ein aus dem Sport kommender, interaktiver Überbau draufgezimmert werden soll. Die festen Storys von Büchern und Filmen erlauben zwar theoretisch ein interaktives Nachspielen, aber das ist nicht mehr als Theater und, so sehr ich diese Kunstform auch schätze, für ein Spiel nicht geeignet.
Eine Story im Spiel lässt daher meistens Freiheiten zu, gewisse Individualitäten im Sinne einer festen Handlung oder storyrelevante Entscheidungsmöglichkeiten bis hin zu ganz verschiedenen Enden.
Und das ist kompliziert. Je mehr Faktoren eine Story verändern, desto mehr Varianten müssen programmiert werden. Eine glaubhaft sich verändernde Story muss oftmals hunderte von Faktoren berücksichtigen, entscheidende, wie den möglichen Tod einer relevanten Figur, aber auch oftmals unwichtige, wie das Abschließen einer kleinen Nebenquest.
Leider kommt dabei oft genug ein unbefriedigendes Ergebnis heraus. Nicht jede Entscheidung und Wende kann berücksichtigt werden, nicht jeder Spielertyp in gleichem Maße zufriedengestellt werden. Wo die Freiheiten bei der Storygestaltung aufhören, beginnt das Meckern. Und dann gilt wie so oft: Bewährtes vor Risiko. Eine feste, unerhebliche Story mit gutem Gameplay ist immer noch eine sichere Sache. Es geht schließlich ums Geld.
Es gibt natürlich auch noch viele Beispiele, wo eine aufwändige Story nicht zur dahinterstehenden interaktiven Kompetition passt, aber dieses Klein-Klein erspar ich mir jetzt mal (immerhin läuft grad DS9 und ich hab eh was anderes zu tun :D ). Daher, viel Spaß noch bei deiner Doktorarbeit. Und nicht guttenbergen *Grillenzirpen*.
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mr archer
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Re: Doktorarbeit über Videospiele

Beitrag von mr archer »

Ich bräuchte da auch etwas mehr Infos und konkretere Fragen. Im Moment weiß ich einfach nicht so recht, wo Du eigentlich hin willst. Falls Dich das interessiert: Auf meiner Homepage finden sich ein paar essayistisch angehauchte Texte zu Videospielen, die mir aufgrund der erzählten Geschichte lieb und teuer sind.
Ansonsten vielleicht nochmal etwas näher schildern, wo der Schuh drückt.
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The_Edge1982
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Re: Doktorarbeit über Videospiele

Beitrag von The_Edge1982 »

Der Schuh drückt nirgends. Eigentlich wollte ich nur sehen, wer und ob überhaupt jm antwortet. Es ist eine relativ einsame und zähe Arbeit an so einer Dissertation, selbst wenn man sein Thema liebt. Mr Archers Homepage wirkt interessant und das wars schonmal Wert, das Thema eröffnet zu haben. Ich kann das Thema jetzt auch nicht mehr löschen (jedenfalls finde ich die Funktion nirgends).

Es hätte ja theoretisch sein können, dass hier jm im Forum aktiv ist, der gerade einen neuen Studiengang Game Studies aufbaut und Mitarbeiter sucht oder sowas. Oder sich hier eine kleine Gruppe irrer Geisteswissenschaftler (wie ich) über ihre Leidenschaft austauscht. Egal...es war Sonntagnachmittag und mir war langweilig.... :mrgreen:
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Mr.Freaky
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Re: Doktorarbeit über Videospiele

Beitrag von Mr.Freaky »

Man sollte auch noch Archers Thread zu Osteuropashootern erwähnen, da dort auch recht interessante Diskussionen entstanden sind. Das Thema find ich im allgemeinen auch eigentlich sehr ansprechend. Deine Dissertation, würd mich auch sehr interessieren, wenn sie fertig ist.
Inwiefern beschäftigst du dich denn mit dem Storytelling in Spielen? Allgemein die Story oder eher die Inszenierung?
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The_Edge1982
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Re: Doktorarbeit über Videospiele

Beitrag von The_Edge1982 »

Ich habe 2008 meine Magisterarbeit über die Umsetzung der "Reise des Helden" in Videospielen geschrieben. Die wird auch in meiner Diss eine Rolle spielen, allerdings werde ich quasi bei Adam und Eva anfangen. Wieso erzählen sich Menschen überhaupt Geschichten? Was bringt ihnen das aus evolutionärer Sicht? Und welche Aspekte von Dramaturgie und Geschichten lassen sich in Videospielen evtl besser umsetzen als in anderen Medien und welche schlechter?

Das ist jetzt sehr grob zusammengefasst. Ich habe auch erst eine sehr grobe Gliederung und arbeiter erst seit Juni wirklich intensiv an der Arbeit. Vor 2015 wird die wohl kaum fertig, da ich zwischendurch auch Geld verdienen muss für Miete und Nahrung ;-)
Wer Interesse an meiner Magisterarbeit hat, dem maile ich sie aber natürlich gern.
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mr archer
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Re: Doktorarbeit über Videospiele

Beitrag von mr archer »

Noch ein Angebot: ein guter Freund von mir hat unlängst seinen Doktor als Historiker über Videospiele gemacht. Thema war das Mittelalterbild in Titeln wie Die Siedler oder auch Assassins Creed. Wenn Dich das interessiert, zum Beispiel was seinen theoretischen Überbau angeht, schick mir ne PN und ich vermittle Dir dann den Kontakt.

Gruß, archer
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kamm28
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Re: Doktorarbeit über Videospiele

Beitrag von kamm28 »

Das bisherige Feedback reicht, um schon mal eine Gegendarstellung im Sinne der Meinungsvielfalt unter Spielern abgeben zu können, und zwar auf den Beitrag von Almalexian. Meine Ansichten bezüglich des Themas "Storys in Spielen" sind den seinen teilweise diametral entgegengesetzt.

Es fängt schon damit an, dass ich die Geschichten keineswegs als Mittel zum Zweck ansehen würde, im Gegenteil: Für mich sind sie integraler Bestandteil in dieser Kulturform. Natürlich gibt es viele Spiele, die ganz ohne Story auskommen und trotzdem sehr gut funktionieren. Es gibt aber ebenso solche, wahrscheinlich sogar insgesamt mehr, die ohne narrative Elemente nicht das wären, was sie sind. Call of Duty wurde als Beispiel einer "Mittel zum Zweck"-Story genannt, was meiner Ansicht nach zumindest teilweise nicht zutrifft. Ich muss hier einräumen, dass ich die Reihe nur bis zum ersten Modern Warfare gespielt habe, aber gerade in diesem Teil sorgt die erzählte Geschichte dafür, dass es um weit mehr als ums Ballern geht. Die Missionen rund um Tschernobyl und eine andere mit extrem depressivem Ausgang (ich möchte Spoiler vermeiden; die es gespielt haben werden wissen, welche ich meine) haben bei mir eine Stimmung erzeugt, die genau das darstellt, was ich in Spielen eigentlich suche, nämlich das Eintauchen in eine Welt, die mich emotional und atmosphärisch packt. Der gute alte Eskapismus, würden viele jetzt einwerfen. Und sie hätten nicht unrecht. Allerdings handelt es sich um den gleichen Eskapismus, der bei Spielertypen wie mir auch in den meisten anderen Kulturformen greift, vor allem in der Literatur und im Film. Um was soll es denn beim Lesen eines Romans gehen, wenn nicht um das Eintauchen in eine Geschichte, die eben nicht die eigene ist, durch die Beschäftigung damit aber oft ein Teil dessen wird?

Damit wären wir auch schon bei den unterschiedlichen Spielertypen. Ich möchte niemanden widersprechen, für den Computerspiele Sport sind und der den Wettbewerb sucht. Kann jeder so halten, wie er will. Für mich ist das aber in den seltensten Fällen der ausschlaggebende Beweggrund. Deshalb würde ich auch widersprechen, dass die interaktiven, also spielerischen Elemente aus dem Sport kommen. Mein Vorschlag: Sie kommen davon, wonach das Ganze benannt wurde, dem Spielen an sich. Das bedeutet einerseits natürlich, dass es (wie im Sport) Regeln gibt, andererseits lässt es sich auf das zurückführen, was die meisten von uns gemacht haben, als sie Kinder waren, wobei Geschichten auch eine wichtige Rolle gespielt haben. Es lässt sich festhalten: Für Spielertypen wie mich ist die Story in Spielen essentiell wichtig! Nur, wie funktioniert das?

Ein Stichwort dazu wurde schon gegeben, Interaktivität. Allerdings würde ich diese ganz anders definieren als Almalexian. Das fängt damit an, dass ich Filme nicht als Berieselung ansehe, und bei Büchern die Interaktivität nicht mit dem Erfassen von Buchstaben aufhört. Wenn ich ein Buch lese, passiert da unglaublich viel an Interaktivität zwischen mir und dem Text. In der wissenschaftlichen Theorie über Rezeption von Kunst und Kultur geht man schon lange nicht mehr davon aus, dass das Werk für sich steht, mit festen Attributen, und vom Rezipienten möglichst genau so erfasst werden muss, wie es vom Autor gedacht war. Eher ist es so, dass sich z. B. ein Roman für jeden Menschen anders lesen wird, mit jeweils individuellen Assoziationen, Schlüssen, Vorstellungen, Interpretationen und so weiter. Dafür gibt es einige Gründe. Zwei davon sind die von Roman Ingarden definierten Unbestimmtheitsstellen und die von Wolfgang Iser eingeführten Leerstellen innerhalb der Literaturtheorie. Unbestimmtheitsstellen liegen immer dann vor, wenn z. B. von einem Charakter die Augenfarbe nicht erwähnt wird. Das führt dazu, dass manche Leser dieses Attribut offen lassen, für andere die Person blaue Augen hat und wieder andere, entsprechend ihrer Präferenzen, dem Charakter eine giftgrüne Tönung unterjubeln. Leerstellen dagegen entstehen da, wo verschiedene Elemente einer Geschichte, z. B. Einzelschicksale, Szenen, Erzählperspektiven usw. aufeinander treffen und in einen Gesamtzusammenhang gebracht werden müssen, ohne dass dieser explizit erwähnt wird.

Von solchen Modellen ausgehend, ist es für mich relativ einleuchtend, dass selbst simple Filme oder Spiele solche "Stellen" enthalten müssen. Für mich sieht es sogar oft so aus, dass selbst anerkannt schlechte Werke, insofern sie viele Leer- oder Unbestimmtheitsstellen haben, in meinem Ansehen enorm steigen können, indem ich mit meiner Phantasie diese Lücken auffülle und sozusagen für mich doch noch etwas daraus mache. Andererseits ist es oft ein Merkmal gerade anspruchsvoller Literatur oder Filme, wenn sie eben den Rezipienten dazu auffordern, selbst aktiv zu werden und nicht alles von vornherein erklären. Ein Kriterium, dass meiner Ansicht nach auf Spiele ebenso zutreffen kann, wie auf Literatur und Filme.

Ich kann ja mal ein paar Beispiele bringen; ich meine, ich hätte diese an anderer Stelle in diesem Forum schon mal gebracht.
Tomb Raider, das erste. Ein Spiel mit einer ziemlich rudimentären Story und einer Welt, die aus ca. 1 x 1 Meter großen Blöcken zusammengebastelt wurde. Die Protagonistin wird höchstens ansatzweise charakterisiert, als toughe, ehrgeizige und abenteuerlustige Powerfrau. Trotzdem war es für mich ein unglaublich intensives Abenteuer, in dem ich durch Höhlensysteme geklettert bin, die vor mir seit tausenden von Jahren noch nie jemand erkundet hatte. Und jetzt, im Nachhinein, ebenso wie während des Spielens, kommt mir diese Spielwelt viel größer und viel komplexer vor, als sie es nach messbaren Kriterien überhaupt ist. Die paar Story-Happen, die mir in den wenigen Zwischensequenzen geboten werden, in Verbindung mit der dichten Atmosphäre, befeuern meine Phantasie derart, dass ich die vielen Lücken ausfülle, mir meine eigenen Geschichten hinzufüge. Meinetwegen Natla, eine durchaus interessante Antagonistin, eine gefallene und verbannte Herrscherin eines antiken, fremdartigen Universums, die auf der Erde landete und dort anscheinend erst einmal am sagenumwobenen Atlantis mitgemischt hat, ein Wirtschaftsimperium aufbauen und viele Anhänger rekrutieren konnte. Wie hat sie das geschafft, ihre Fremdartigkeit dabei getarnt? Was war das für eine Zivilisation, aus der sie ursprünglich stammte? Wie sah Atlantis mal aus, in dessen Überresten man später herumirrt? Sowieso, die ganzen untergegangenen Zivilisationen in Griechenland und Ägypten. Woher kennt Lara den Söldner Pierre? Viele Anküpfpunkte, an denen man anschließen und die Fragmente weiterspinnen kann, wenn man möchte. Und die (in Wirklichkeit nicht gegebene) Größe der Spielwelt ergibt sich auch daraus, dass man die Levelbegrenzungen nur als solche akzeptiert, es einem aber logisch erscheint, dass nach dieser Texturwand noch etwas kommen muss, eine weitere Höhle, weitere Gänge - eine Größe, die nur in der Phantasie existiert, die aber immens wichtig ist, um die Illusion eines riesigen, unergründlichen Höhlenkomplexes aufrecht zu erhalten.

Tomb Raider ist ein sehr simples Beispiel. Was ist mit Werken wie System Shock 2, in dem durch Textmemos Charaktere lebendig werden, die zwar real erscheinen, tatsächlich aber nur in Form dieser Texte erfahrbar sind? Oder Bioshock, welches Ähnliches mittels Tonaufnahmen erreicht; dazu noch die geheimnisvolle Stadt Rapture, deren Vergangenheit auch erst in der Phantasie des Spielers lebendig wird. Oder experimentelle Spiele wie die Half Life-Mod "Halfquake: Amen", bei der man in eine abstrakte Welt versetzt wird, in der die Gesetze unserer Welt auf den Kopf gestellt oder gleich komplett ad absurdum geführt werden. Das sind alles Elemente, die nicht durch irgendwelche Spielmechaniken vermittelt, allerdings oftmals davon unterstützt werden, statt dessen aber auf den verschiedenen narrativen Formen innerhalb von Spielen beruhen.

Um noch mal auf den Beitrag von Almalexian zurückzukommen: Ich halte es für absolut nicht notwendig, dass diese narrativen Elemente einer bestimmten Form folgen, nämlich wie in dem Posting suggeriert, durch pseudoindividuelle Entscheidungen, bei denen man zum Beispiel den Tod einer storyrelevanten Person in Kauf nimmt, oder nicht. Vielleicht habe ich das auch falsch verstanden. Jedenfalls hat ein Adventure nicht erst dann eine gelungene Geschichte zu bieten, wenn an bestimmten Stellen Spieler unterschiedliche Wege gehen können. Es kann auch eine komplett lineare Story sein - wenn sie gut geschrieben ist, ist es für mich eine gute Geschichte. Natürlich können besagte Entscheidungen auch den Reiz eines Spiels ausmachen, das möchte ich gar nicht bestreiten. Im Gegenteil, hierbei handelt es sich meiner Ansicht nach um eine der Vorteile im Vergleich mit anderen Kulturformen, ebenso wie das in letzter Zeit verstärkt in den Fokus der Betrachtungen rückende Environmental Storytelling. Dadurch, dass Geschichten in Spielen nicht nur klassisch linear, sondern auch anders erzählt werden können und das Erleben dieser Story wahrscheinlich immer von Gameplay-Mechanismen "gestört" werden wird, würde ich auch davon absehen, einen direkten Vergleich mit Literatur und Filmen zu bemühen, so dass man dann von einer "gleichwertigen bis höherwertigen" Erfahrung sprechen kann. Man darf ja auch nicht vergessen: Schlechte Geschichten hat es in allen narrativ angelegten Kulturformen schon immer gegeben und wird es auch immer geben. Und dass es zu viele Spiele gibt, die den Spieler unterfordern, tatsächlich nur zum besagten Eskapismus einladen und sämtliche andere Qualitätsmerkmale vermissen lassen, darüber braucht man eigentlich nicht diskutieren. Allerdings: Ebenso wie in den anderen Kulturformen gibt es mehr gelungene und interessante Beispiele, als ich überhaupt konsumieren kann. Von daher will ich mich nicht beschweren. :)
kamm28
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Re: Doktorarbeit über Videospiele

Beitrag von kamm28 »

Oh, da habe ich wohl eine nie wirklich begonnene Diskussion endgültig totgeschwafelt. :(
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Mr.Freaky
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Re: Doktorarbeit über Videospiele

Beitrag von Mr.Freaky »

Ne, aber ich hatte noch nicht die Muse deinen Text zu lesen. ;) An deiner Magisterarbeit wäre ich übrigens durchaus interessiert. :)
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Almalexian
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Re: Doktorarbeit über Videospiele

Beitrag von Almalexian »

kamm28 hat geschrieben:Oh, da habe ich wohl eine nie wirklich begonnene Diskussion endgültig totgeschwafelt. :(
Naja, was gibts da groß zu diskutieren? Wir beide haben unsere Standpunkte dargelegt, und auch wenn ich deine Ansicht auf den Einfluss von Storys in Spielen etwas zu optimistisch finde, so kann ich doch nicht wirklich dagegen argumentieren, weil es stark Ansichts- bzw. Geschmackssache ist. Auch deiner Sicht kann ich einiges abgewinnen, deine Argumente finde ich nachvollziehbar und sinnvoll, nur habe ich eine andere Wahrnehmung und Gewichtung des Themas und der Argumente. Entsprechend komme ich zu einem anderen Fazit. Aber damit kann ich leben. Auch, weil ich normalerweise nur eine Diskussion beginne, wenn ich denke, dass ich gewinnen oder zumindest auf ein unentschieden hinausarbeiten kann. :D

Bleibt halt nurnoch die Hoffnung, dass noch andere ihre Ansichten verkünden (wobei nach wie vor eine klare Fragestellung fehlt, eine Diskussion aus dem Nichts heraufzubeschwören, klappt erfahrungsgemäß schlecht) oder jemand mal was richtig kontroverses auftischt.
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Re: Doktorarbeit über Videospiele

Beitrag von kamm28 »

Almalexian hat geschrieben:Naja, was gibts da groß zu diskutieren?
Sorry, da habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Bei uns beiden würde es sich sehr wahrscheinlich nicht lohnen, zu diskutieren, da hast du Recht. Wir sind eben unterschiedlichen Spielertypen zuzuordnen, die aus unterschiedlichen (und fast entgegengesetzten Gründen) spielen. Das "Spielen ist Sport"-Prinzip ist mir dabei übrigens nicht so fremd, wie es mein Posting oben suggerieren könnte; ich war irgendwann sogar mal ganz gut in CS und vor allem Q3. ;)

Immerhin, The_Edge hat inzwischen ein paar Fragen genannt, die beschreiben, um was es in der Arbeit grob gehen wird.
Wieso erzählen sich Menschen überhaupt Geschichten? Was bringt ihnen das aus evolutionärer Sicht?
Da könnte man durchaus anknüpfen. Und um mal was Kontroverses aufzutischen:
Ich habe ein großes Problem mit der evolutionspsychologischen Sicht. Ich wüsste zum Beispiel nicht, was es für einen evolutionsbedingten Vorteil darstellen könnte, wenn Menschen sich Geschichten erzählen. Wo bleibt da der Vorteil gegenüber anderen Arten, der von einem durch solche Mechanismen wie Selektion und Zufall gesteuerten Prozess als wichtig genug angesehen wird, um entsprechende Mutationen oder Rekombinationen von vorhandenem Erbgut vorzunehmen? Selbst wenn solche Gründe gefunden werden - irgendeine geschichtliche Epoche in der Menschheitsgeschichte lässt sich bestimmt finden, in der es einen evolutionären Vorteil dargestellt hat, sich gegenseitig Geschichten zu erzählen - hieße das doch noch lange nicht, dass es wirklich entsprechende Änderungen im menschlichen Erbgut gab und gibt. Mit einer solchen Methode, indem man von einer festen Grundannahme ausgeht, um dann einleuchtende Gründe zu finden, die diese Grundannahme bestätigt, lässt sich so gut wie alles theoretisch "beweisen". Müsste hier nicht erst einmal die Grundannahme belegt werden, also dass eine Änderung des Erbguts aufgrund von Verhaltensweisen und Prozessen, die sich in erster Linie psychologisch und soziologisch erklären lassen, überhaupt stattfindet? Natürlich, an der Stelle hätte man mit dem Problem zu kämpfen, was ich persönlich als eines der größten der gesamten Evolutionstheorie ansehe: Dass man nämlich von Zeitspannen ausgeht, die mehrere Jahrmillionen umfasst, und somit durch Beobachtung oder eine experimentelle Herangehensweise überhaupt nichts belegt werden kann. Es bleibt bei einer Theorie, für deren Bestätigung viele Gründe sprechen, deren Wahrheitsgehalt aber mangels echter, nicht nur theoretischer Beweise weiterhin angezweifelt werden darf.
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Almalexian
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Re: Doktorarbeit über Videospiele

Beitrag von Almalexian »

Sorry, da habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Bei uns beiden würde es sich sehr wahrscheinlich nicht lohnen, zu diskutieren, da hast du Recht. Wir sind eben unterschiedlichen Spielertypen zuzuordnen, die aus unterschiedlichen (und fast entgegengesetzten Gründen) spielen. Das "Spielen ist Sport"-Prinzip ist mir dabei übrigens nicht so fremd, wie es mein Posting oben suggerieren könnte; ich war irgendwann sogar mal ganz gut in CS und vor allem Q3. ;)
Oh, ich würde mich durchaus nicht zu den Sportlern der Videogames zählen. Eher zu den Strebern, die im Keller sitzen und Pen&Paper-Rollenspiele mit aufgesetztem Zauberhut zocken.
Auch ich kann mich durchaus mit Storys aus Videospielen erfreuen und solche, die eine gute erzählen, gehören zu meinen Lieblingen. Ich bin halt nur der Auffassung, dass ein großer Teil der Spielerschaft eher Sportler und Gesellschaftsspieler sind, was ich an bisherigen Trends in der Szene festmache und andersherum). Ich bin im Großen und Ganzen nicht der Meinung, dass der Spielemarkt viele interessante Storys zu bieten hat, sondern solche eher die Ausnahme sind. Viele Spiele können mich fesseln, faszinieren und eintauchen lassen, aber daran würde ich noch keine gute Story fest machen.
Ist natürlich Ansichts- und Geschmackssache.
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Re: Doktorarbeit über Videospiele

Beitrag von mr archer »

Falls der Threadersteller hier noch mal hinein schaut: ich habe die letzten Tage mal ein bisschen über das Thema nachgedacht. Es würde ja für die Arbeit vermutlich darum gehen, Videospiele zu finden, die vom Erzählansatz und der Struktur der Geschichte her etwas eigenes, neues oder anderes in die bestehenden Erzähltheorien einbringen. Im Idealfall. Wo sich also beim Erzählen im Videospiel ein womöglich neuer Weg auftut.

Wenn ich so in meine Spielevita schaue, fallen mir da in einer ersten Kategorie Titel ein, die vielleicht was die Struktur und Entwicklung der Fabel angeht nicht unbedingt konventionelle Bahnen verlassen, aber die das Erzählen um eine meiner Meinung nach vielleicht nur im Videospiel erzielbare atmosphärische Dimension erweitern und auf die sich womöglich ein Blick zu werfen lohnt:

- Grim Fandango
- Psychonauts
- Silent Hill 2
- S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Cernobyl
- You are empty
- Limbo

Ein zweite Kategorie wären dann Spiele wo ich persönlich tatsächlich denke, dass sich hier ein Tor zu neuen erzählerischen Welten geöffnet hat:

- Pathologic
- The Path

Zu Pathologic findest Du auf meiner Homepage einen längeren Text. Ebenso zu You are empty. The Path empfehle ich Dir im Kontext Deines Projektes extremst, und Du solltest Dir auch die anderen Projekte von dessen Entwicklerstudio Tale of Tales (vor allem The endless forest) unbedingt ansehen.

Journey und Dear Esther wären womöglich auch gute Kandidaten. Die kenne ich aber nur aus Spielkritiken und den mehr oder weniger aufgeregten Forendiskussionen um diese.

Gruß,
archer
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