Wertet die BPJM auch nach künstlerischen Kriterien?

Hier geht es um Spieldesign oder Game Studies, Philosophie oder Genres!

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TomSupreme
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Beitrag von TomSupreme »

mr archer hat geschrieben:
Erdbeerfeldheld hat geschrieben:
Du musst ja einfach mal sehen zu welcher Zeit das indiziert wurde und welche Indizierungspraxis zu dem Zeitpunkt herrschte.
Und wenn man die Angriffe von rechts in Rostock-Lichtenhagen 1992, der Brandanschlag von Solingen 1993, die Ausschreitungen von Hoyerswerda 1991 oder die Magdeburger Himmelfahrtskrawalle mit einbezieht find ich es im Fall Wolfenstein mehr als verständlich das es vom Markt genommen wurde.

Heute find ich es wesentlich freizügiger was die die Arbeit der BpjM angeht.
Aber ist das wirklich der Zusammenhang, um den es damals bei der Indizierung ging? Wo herrscht denn eine Geistesverwandtschaft zwischen Wolfenstein 3D und der Neonaziszene in Deutschland von Anfang der 1990er? Zwischen einem Spiel, in dem ein polnischer Antifaschist mit dem schönen Namen Blazkowicz Nazis killt und einem protofaschistischen Mob vor einem Neubaublock voller Vietnamesen und Mozambiquanern?

Wolfenstein ist wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole indiziert worden. Und wegen nix anderem. Und das ist in meinen Augen eben absurd. Ein Spiel, indem es darum geht, symbolisch das Dritte Reich als Ein-Mann-Armee zu besiegen und Hakenkreuz-Träger im Akkord in den Pixeltot zu schicken wird indiziert - weil in ihm Hakenkreuze vorkommen.

Da muss ich leider an den Jehova-Sketch von Monthy Python denken.
Ich sag nicht das es wirklich so war, ich hab jetzt einfach mal einen wilden Zusammenhang erstellt
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greenelve
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Beitrag von greenelve »

Erdbeerfeldheld hat geschrieben:
mr archer hat geschrieben:
Erdbeerfeldheld hat geschrieben:
Du musst ja einfach mal sehen zu welcher Zeit das indiziert wurde und welche Indizierungspraxis zu dem Zeitpunkt herrschte.
Und wenn man die Angriffe von rechts in Rostock-Lichtenhagen 1992, der Brandanschlag von Solingen 1993, die Ausschreitungen von Hoyerswerda 1991 oder die Magdeburger Himmelfahrtskrawalle mit einbezieht find ich es im Fall Wolfenstein mehr als verständlich das es vom Markt genommen wurde.

Heute find ich es wesentlich freizügiger was die die Arbeit der BpjM angeht.
Aber ist das wirklich der Zusammenhang, um den es damals bei der Indizierung ging? Wo herrscht denn eine Geistesverwandtschaft zwischen Wolfenstein 3D und der Neonaziszene in Deutschland von Anfang der 1990er? Zwischen einem Spiel, in dem ein polnischer Antifaschist mit dem schönen Namen Blazkowicz Nazis killt und einem protofaschistischen Mob vor einem Neubaublock voller Vietnamesen und Mozambiquanern?

Wolfenstein ist wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole indiziert worden. Und wegen nix anderem. Und das ist in meinen Augen eben absurd. Ein Spiel, indem es darum geht, symbolisch das Dritte Reich als Ein-Mann-Armee zu besiegen und Hakenkreuz-Träger im Akkord in den Pixeltot zu schicken wird indiziert - weil in ihm Hakenkreuze vorkommen.

Da muss ich leider an den Jehova-Sketch von Monthy Python denken.
Ich sag nicht das es wirklich so war, ich hab jetzt einfach mal einen wilden Zusammenhang erstellt
Spiele, vor allem damals, wurden nur als Spiel wahrgenommen. Von Gesellschaftskritik u.ä. war da innerhalb der Wahrnehmung nicht viel vorhanden. Eher das alles was im Spiel vorkommt, den Spieler motivieren soll...oder so ähnlich..
(Damals dachte man auch, dass durch Flugspiele, am weitesten verbreitetes Genre, die Kinder zu Killerpiloten ausgebildet werden um für das Militär unbemannte Drohnen zu steuern...)

Spiele sind in der Hinsicht wohl zu aktiv für den Konsumenten, als das in Deutschland davon ausgegangen wird, dass der Spieler die faschistischen Symbole mit Distanz und ohne Verherrlichung betrachtet. Deutschland tut sich in der Hinsicht nunmal unendlich schwer...
Gelangweilt? Unterfordert? Masochistisch veranlagt? http://www.4players.de/4players.php/dow ... 47903.html Jetzt auch auf Steam: store. steampowered .com/app/752490/
Who knows what evil lurks in the hearts of men? The Shadow knows!

Geklaut von greenelve. Falls das Forum schließen sollte:
Inoffizieller 4Players-Discord-Server: https://discord.gg/BQV9R54
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BfA DeaDxOlli
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Beitrag von BfA DeaDxOlli »

Gerade die Leute die die USK bashen und am liebsten verbieten wollen haben keine Ahnung: Die USK erhält ein Spiel und muss es durchspielen, sich dinge notieren und dann werten. Die BPJM stellt ein Gremium und der USK Prüfer muss das Spiel vorstellen (meist werden diverse level gezeigt die halt die story erklären bzw den gewaltgrad darstellen) der USK Prüfer muss dem Gremium z.B erklären warum man in GoW einen Gegner mit der Säge zerfetzen kann bzw. was diese Szene jetzt zu bedeuten hat im Kontext des Spieles. Jetzt sitz der arme USK mensch das und muss alles erkläres (erklär mal DeaD Rising mit sinvollen bergründungen warum die gewalt so explizit sein muss xD) und hinter ihm sitzen 5 meist ältere Personen die mit dem Medium soviel zu tun hat wie unsereseits mit Briefmarken. De BPJM ist schuld weil die leute denen es vorgestellt wird es nicht nachvollziehen können und deswegen oft alles als zu Brutal abstempeln anstlle sich kompentent mit dem Spiel auseinanderzusetzen.
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mr archer
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Beitrag von mr archer »

BfA DeaDxOlli hat geschrieben:Gerade die Leute die die USK bashen und am liebsten verbieten wollen haben keine Ahnung: Die USK erhält ein Spiel und muss es durchspielen, sich dinge notieren und dann werten. Die BPJM stellt ein Gremium und der USK Prüfer muss das Spiel vorstellen (meist werden diverse level gezeigt die halt die story erklären bzw den gewaltgrad darstellen) der USK Prüfer muss dem Gremium z.B erklären warum man in GoW einen Gegner mit der Säge zerfetzen kann bzw. was diese Szene jetzt zu bedeuten hat im Kontext des Spieles. Jetzt sitz der arme USK mensch das und muss alles erkläres (erklär mal DeaD Rising mit sinvollen bergründungen warum die gewalt so explizit sein muss xD) und hinter ihm sitzen 5 meist ältere Personen die mit dem Medium soviel zu tun hat wie unsereseits mit Briefmarken. De BPJM ist schuld weil die leute denen es vorgestellt wird es nicht nachvollziehen können und deswegen oft alles als zu Brutal abstempeln anstlle sich kompentent mit dem Spiel auseinanderzusetzen.
Aber es ist doch auch an uns, diese Situation zu ändern! Wir müssen es sein, die jemandem, der stramm auf die Sechzig zugeht, erklärt, dass in Wolfenstein 3D eben nicht der NS verharmlost wird.

Oder die erläutern, warum Max Payne 1 nicht auf den Index gehört, sondern ins popkulturelle Erbe. Denn hier handelt es sich doch um viel mehr, als um die Spielumsetzung eines Charles-Bronson-Ein-Mann-sieht-rot-Flicks!

Max sagt am Ende von Teil 1:

"They were all dead. The final gunshot was an exclamation mark to everything that had led up to this point. I released my finger from the trigger. And then it was all over. The storm seemed to lose it's frenzy.
The ragged clouds gave way to the stars above."
[...]
My ghosts released me from their haunting. Down below, New York City glittered like diamonds on black velvet."

Damit wird am Ende des 1. Teiles suggeriert, das Max durch seinen Rachefeldzug Frieden gefunden hat.
Aber damit endet die Geschichte ja nicht. Denn geich am Beginn des 2. Teiles heisst es in der Rückschau auf Teil 1:

"I killed Horne. I gave myself up to the police. I had enough evidence against Woden to know he'd keep his promise. I lied to myself that it was over. I was still alive, my loved ones were still dead. It wasn't over."

Damit wird ganz deutlich gesagt, dass Max mit seinem Rachefeldzug eben nichts erreicht hat, dass er keinen Frieden gefunden hat - denn die Toten kann er nicht zurückbringen. Vielmehr ekelt sich Max sogar dafür, für seinen Einmann-Feldzug als Held gefeiert zu werden:

"I had wanted to be punished for what I had done. But Alfred Woden had kept his word. With his influence, ridiculously, I had emerged from my history of violence unscathed, a hero. I didn't thank him. I couldn't stomach it. I left the DEA. I went back to where I'd started out, back to the job, the NYPD."

Und erst indem er in Mona eine neue Liebe findet, gibt es wirklich eine Chance, das Vergangene zu überwinden.

So. Wo ist da nun eigentlich der Indizierungsgrund? Ist das nicht vielmehr ein Stück Literatur in Spielform? Müsste man die Sache nicht im Grunde der USK zur Neuvorlage übergeben? Mit den richtigen Argumenten?
Kószdy kozow swoju brodu chwali.
[sorbisch] Jeder Ziegenbock lobt seinen Bart.

Meine Texte und Fotos http://brotlos.weebly.com

johndoe702031
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Beitrag von johndoe702031 »

@ BfA DeaDxOlli: Das stimmt doch hinten und vorne nicht, oder?

@ Hakenkreuzthema: Bouncer hat da recht. Das gilt für alle Beschlagnahmungen, die sich aus Strafrechtsverletzungen ergeben, da hat die BPJM keinen Ermessensspielraum. Das wären z.B. § 86a (Hakenkreuze und andere Nazi-Symbole führen per se zur Beschlagnahme, wenn es nicht als Kunst eingestuft wird), §131 (Gewalt), §130 (Volksverhetzung), §184a + b usw...
Die BPJM macht in diesen Fällen bei Verdacht auf Strafrechtsverletzung nur aufmerksam, indem es die Spiele auf die B-Liste stellt. Die Beschlagnahmung führt sie selbst nicht durch, das ist Sache eines Gerichts nach unabhängiger Prüfung.

Indizierungen (A-Liste) finden aufgrund §18 JuSchG statt und hier hat die BPJM natürlich einen gewissen Ermessensspielraum. Sie darf seit 2003 allerdings nur noch tätig werden, wenn die USK, die ausnahmslos alle Spiele testen muss und deren Einstufung rechtsverbindlich für die Händler ist, eine Freigabe ab 18 endgültig verweigert hat, ansonsten darf sie gar nicht erst einschreiten.
Damit ist sie keine Jugendschutzmaßnahme mehr und gehört m.E. abgeschafft.
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BfA DeaDxOlli
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Beitrag von BfA DeaDxOlli »

hab mal nen bericht gesehen wo einer von der USK seinen alltag gezeigt hat und halt auch dieses thema dabei war. ich glaub außerdem das bei MTV gameone auch mal so ein kurz beitrag war wo es gesagt wurde.

http://www.youtube.com/watch?v=fGFpzOXZXjQ ab Minute 5. Is halt ein kleiner einblick. Wo die reportage war die länger war weiss ich leider net mehr is scho paar jahre her.
johndoe702031
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Beitrag von johndoe702031 »

Ok, dieses Gremium von dem dort die Rede ist ist aber nicht die BPJM. Die USK muss also der BPJM nichts präsentieren oder dergleichen und sich schon gar nicht stark machen, dass dieses oder jenes Gemetzel noch zu vertreten ist.
Wie gesagt, die BPJM bekommt seit 2003 sowieso nur Spiele in die Hände, von denen die USK sagt: Nee, ist uns zu heiß. Macht ihr mal. Und dann ist die Entscheidung auch schon klar: mindestens Indizierung. Das System ist ganz großer Bullshit, zumal es uns lästige Präventiv-Zensur durch die Entwickler beschert aus Angst vorm Index. Das schadet Spielern, Entwicklern, Händlern und nicht zuletzt den Spielen selber (und ihrem Ruf) mehr, als dass es den zu schützenden Jugendlichen nützt. Und ich bin mir sicher, dass es für das Werbe- und Ausstellungsverbot, dass ja mit dem Index erreicht werden soll, auch alternative Lösungen gäbe und dass die Händler dazu auch bereit wären. Wie gesagt, für mich wird hier im Namen des Jugendschutzes hauptsächlich Erwachsenenschutz betrieben, oder eher eine völlig dämliche Erwachsenen-Kaufbehinderung.
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